SPREEUFER Consult GmbH

Opt-in oder Opt-out #3

Andere Fragestellung, gleiche Problematik:
Zentrale Datenspeicherung und ‚Big Data‘

Das Thema Organspende wird besonders emotional geführt, weil es darin um massives doppeltes Leid geht – das Leid des Verstorbenen und seiner Angehörigen, dem die Organe entnommen werden sollen, und das Leid des (potentiellen) Empfängers, der ein Spenderorgan sucht.

Das folgende Thema kann keine derartige Emotionalität bieten, dabei geht es auch hier mittelbar um Leben und Tod. Viele wissenschaftliche Erkenntnisse in der Medizin sind erst dann mit hinreichender Sicherheit formulierbar, wenn sehr große Datenmengen analysiert worden sind. Der Grund ist das, was Statistiker ‚Rauschen‘ nennen. Um zum Beispiel herauszufinden, dass Vioxx das Herzinfarktrisiko verdoppelt, mussten 3,5 Jahre vergehen. Erst dann lagen genügend Daten vor. Große Datenmengen sind auch für die Qualitätssicherung nötig. Wenn bspw. die Bundesärztekammer oder die KBV Aussagen darüber treffen wollen, wie sich die Versorgungsqualität in vergleichbaren Indikationen in Abhängigkeit von Regionen und ähnlichen Faktoren verteilt, um gezielte Verbesserungsinitiativen einleiten zu können, müssen sie ebenfalls große Datenmengen analysieren.

Die zentrale Frage lautet, wie solche Datensammlungen entstehen. Jedes Datum aus der Versorgungsforschung hat seinen Ursprung ja in einer konkreten Versorgungssituation, an der immer ein Patient und meist ein Angehöriger eines Heilberufes beteiligt sind. Beide haben prinzipiell Anspruch auf den Schutz ihrer Daten und die Sicherstellung der Privatsphäre.

Natürlich ist ein solches Datensammeln nur denkbar, wenn die Daten selbst ausreichend anonymisiert bzw. pseudonymisiert werden. Dazu gibt es hoch sichere Verfahren, die bspw. eine zufällige Verschiebung aller Datumsangaben besorgen, um zu vermeiden, dass aus dem Behandlungszeitraum Rückschlüsse auf die Namen der Patienten gezogen werden können. Dennoch ist es nach dem deutschen Datenschutzrecht bislang nicht möglich, eine solche Sammlung vorzunehmen, ohne die daran Beteiligten zu fragen.

Und hier ergeben sich die angekündigten Parallelen zur Situation der Organspende:

  • Die Frage „Wollen Sie, dass Ihre Behandlungsdaten anonymisiert einem zentralen Speicher zugeführt werden, um daraus Erkenntnisse für die Versorgungsforschung zu gewinnen?“ lässt keine Enthaltung zu. Entweder werden die Daten anonymisiert und in einem Zentralspeicher zur Analyse zur Verfügung gestellt, oder sie werden es nicht.
  • Sobald man die unmittelbar und persönlich Betroffenen fragt, werden sie mit großer Wahrscheinlichkeit dieselbe Aussage treffen, unabhängig von der gewählten Vorgabe. Das heißt hier zum Beispiel: Hätte man damals die Rheumapatienten gefragt, die Vioxx einnehmen sollten, ob sie ihre Daten zur Verfügung stellen würden, um darauf langfristige Nebenwirkungsforschung zu betreiben, hätte ein sehr großer Anteil das befürwortet – unabhängig von der Wahl der Vorgabe in der Fragestellung.
  • Die nicht direkt Betroffenen, die meist gesunden Menschen mit sporadischem Versorgungsbedarf, deren Daten allerdings „auf Vorrat“ und zum statistischen Vergleich mit den Daten intensiv versorgter Patienten ebenso benötigt werden, wie wir die grundsätzliche Organ-Spendebereitschaft benötigen, sie werden zu einem großen Teil zu einer Enthaltung tendieren.

Das Thema Organspende ist etabliert und längst aktuell. Ein bestehendes Vorgehen zu ändern ist immer schwierig, egal wie gut es begründet wird. Beim Thema der Datensammlung für die Versorgungsforschung ist die Situation noch offen. Bislang werden noch gar keine Daten in großer Menge gesammelt; darüber muss erst noch entschieden werden.

Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, diese Entscheidung nicht im Sinne der Forschung und der Gesundheit zu fällen, also allen Menschen den Ausstieg zu ermöglichen (opt-out). Weil darüber hinaus auch die Daten der Versorgung von Kindern hoch relevant sind, sollte diese Möglichkeit des Ausstiegs einmal den Eltern bei erstmaliger Anmeldung des Kindes nach Geburt gestellt werden, und dann noch einmal, wenn das Kind erstmals selbst einen Personalausweis beantragt.

 


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